No means no
Helge H. Paulsen

Statement: No means no

„no means no“ ist ein konsequentes Statement! Dieser Schriftzug prangt an der Fassade eines Gebäudes, das am 4./5. August 1995 eine gewisse Berühmtheit erlangte. An diesen Tagen berichteten die Medien über die Chaos-Tage in Hannover, dessen Mittelpunkt das ehemals besetzte Sprengelgelände ist – dieses zeigt die Fotografie. Punks und andere revoltierende junge Menschen kämpfen in Straßenschlachten gegen die Machthoheit der Polizei an diesem Ort. Mit der Plünderung eines dem Sprengelgelände fast gegenüberliegenden Penny-Marktes findet die Revolte ihren Höhepunkt. Diese Bilder aus Hannovers Nordstadt werden medial verbreitet. Das Sprengelgelände und die Chaos-Tage werden zum Stigma für Niedersachsens Landeshauptstadt. Dies ist nun 20 Jahre her. Punk sein hieß per se dagegen sein, gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem, gegen Konsum, gegen die gesellschaftliche Ordnung, gegen das System von Lohn und Arbeit (das Leistungsprinzip). Das „NEIN“ zu allen diesen gesellschaftlichen Verabredungen ist ein „NEIN“ als politische Haltung.

Ein NEIN fordert ein Suchen nach Kompromissen heraus und zwingt uns zu alternativen Ideen, somit löst ein NEIN auch immer als Folge einen kreativen Prozess aus. Wenn ich das eine nicht will, will ich dann etwas Anderes? Jede Revolution hat mit einem NEIN zu den bestehenden Herrschaftsverhältnissen begonnen. Unsere Zeit, zwanzig Jahre nach den Chaos-Tagen, ist wie kaum eine zuvor, von Revolutionen geprägt. Die Fotografie zeigt einen historischen Ort der Revolte, diese Revolte muss auf anderen Ebenen wieder stattfinden – ein aufrechtes NEIN ist immer noch besser als ein zweifelhaftes Ja. Die Fotografie handelt von Widerstand und dem Mut eines Neinsagers, der immer gefährlicher lebt als der Jasager. Es gibt auch bei uns genug gesellschaftliche, politische Entscheidungen, zu denen ein klares NEIN wichtig wäre. Darüber nachzudenken, wo dieses angebracht wäre, dazu soll die Fotografie anregen. Ein Beispiel: Ganz im Sinne Oscar Wildes, der sagte: „Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert.“ (aus: Das Bildnis des Dorian Gray). Könnte man heute nicht nur im Kulturbetrieb auch sagen: „Wir drücken alle im Preis, weil es uns nichts mehr wert ist.“ Hier sollte ein NEIN ein NEIN bleiben, damit die finanzielle Armut trotz Arbeit, der meisten KünstlerInnen und GeisteswissenschaftlerInnen ein Ende hat. Die Gesellschaft muss neu darüber verhandeln, was ihr wichtig, wertvoll und schützenswert erscheint. Ein NEIN zur Ausblutung des Kultursektors sollte ein NEIN bleiben, denn no means no!

Biografie

Helge H. Paulsen, Studium der Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Kunst & Kultursoziologie an der Universität Hannover, Abschluss Diplom Sozialwissenschaftler [Fachgebiet: Kunst /Kultursoziologie]
2013  Veröffentlichung der Dissertation: Die Position des David Wojnarowicz – Eine kunstsoziologische Verortung der US-Postmoderne
seit 2014 als selbständiger Fotograf, Publizist und Kunstsoziologe tätig
www.artpromotor.com