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Steinabtritt
Ernst Wagner

Statement: Steinabtritt

Regionaler Sandstein aus Velpke war der Baustein des alten Braunschweiger Schlossgebäudes und diente zum Bau des Heinrichsbrunnens am Hagenmarkt. Als Pflastersteinplatten bedeckt er noch heute einige Plätze im historischen Zentrum Braunschweigs. Dank seiner besonderen Widerstandsfähigkeit gegen Druck und Witterungseinflüsse vermitteln ihm Einlagerungen und Abrieb im Verlauf von Jahrhunderten ein regionales Gedächtnis. Um die erinnerungsgetränkten Spuren zu lesen, zu interpretieren und zu bewahren, könnte uns die Fotografie behilflich sein.

Biografie

Ernst Wagner, geboren 1944 in Bad Wiessee, aufgewachsen in München, Beruf Chirug, wohnhaft Braunschweig.

Reste einer stolzen Vergangenheit
Jürgen Duske

Statement: Reste einer stolzen Vergangenheit

Veränderungen der regionalen Strukturen im Laufe der Zeit lassen sich an der Anbindung von Ortschaften durch öffentliche Verkehrsmittel festmachen. So wurden einstmals wirtschaftlich bedeutsame Orte mit dem Niedergang ihrer ökonomischen Bedeutung von der Infrastruktur (hier: der öffentliche schienengebundene Nahverkehr) abgekoppelt. Dies zeigt sich sehr deutlich am Beispiel der gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Braunschweig-Schöninger Eisenbahn AG, die 1901 den Betrieb aufnahm. Das Betriebsende der Strecke wurde in den Jahren zwischen 1964 (Ende des Salzbergbaus in der Asse) und 1971 (Einstellung des Solebetriebes in Schöningen) eingeleitet. Einige Teilabschnitte des Netzes wurden stattdessen mit Omnibuslinien bedient, das finale Aus für den Schöninger Bahnhof kam 2007. Die Bahnlinie endet heute in Schöppenstedt, von dort aus stellen Buslinien die Verbindung zu den Nachbarorten sowie Braunschweig / Wolfenbüttel sicher. Von dieser einstmals wirtschaftlich bedeutsamen Eisenbahnverbindung zeugen nur wenige Reste, ganz besonders traurig sieht es am Endpunkt der Strecke in Schöningen aus.

Biografie

Jürgen Duske, geboren 1951 in Schöningen, wohnhaft in Braunschweig. Nach langjähriger Tätigkeit in der Großindustrie ist er seit 2011 im Ruhestand und unter anderem als Hobbyfotograf unterwegs.

Alt-Neu-Architektur Braunschweig
Andreas Bormann

Statement: Alt-Neu-Architektur Braunschweig

Meine Fotoarbeiten zeigen das Thema „Alt-Neu“ in der Architektur in Braunschweig. In den ausgewählten Beispielen soll durch den stark begrenzenden Ausschnitt und den bewusst gewählten Standpunkt ein Dialog zwischen den architektonischen und den städtebaulichen Begegnungen herausgestellt werden. Die Gegensätze Alt und Neu erfahren so figurativ, strukturell, räumlich, konstruktiv und farbig ihre klare und sich gegenseitig erfrischend bestätigende Gegenüberstellung. Ich wünsche mir, dass hierdurch bekannte Braunschweiger Situationen überraschend neu erfahren werden können.

Die Fotografien gehören zum „Regionalen Gedächtnis“ von Braunschweig, weil die gezeigten Architekturbeispiele mit ihren Entwürfen auf das Bestehende reagieren und somit für einen gewissen Zeitraum versuchen, das Stadtbild zu vervollständigen. Darin zeigen sich auch die Haltung der jeweiligen Stadtpolitik und der Stand der Architekturentwicklung.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Braunschweig – im Vergleich zu anderen ebenso großen Städten in Deutschland (West) – weniger architektonische Alt-Neu-Begegnungen hat, was an der 40-jährigen deutsch-deutschen Grenzlage liegen könnte.

Biografie

Andreas Bormann, 1964 geboren in Hannover, 1990–2001 Architekturstudium, Fotoassistenz an der TU, Gasthörer an der HBK im Bereich Fotografie, 1994–2004 Dozent für Fotokurse an der VHS Braunschweig, seit 2002 Freie Fotografie (Architektur, Veranstaltungsdokumentation, Kunst)

Seit 1994 bis 2015 regelmäßige Beteiligung an den Mitgliederausstellungen im Museum für Photographie Braunschweig
1998 Fotoausstellung Braunschweiger Profile
2000 Jahreskalender der TU Braunschweig
2007 Fotoausstellung bei O.M. Architekten in Braunschweig
2008 Wanderausstellung „Low-Budget-Häuser“ der Architekturkammer Niedersachsen
2015 Fotoausstellung Braunschweig Alt-Neu-Architektur in der Graphischen Werkstatt Hinz & Kunst

 

Damals im Heute
Axel Grüner

Statement: Damals im Heute

Die Kaiserzeit um 1900 spiegelt sich in den reich verzierten Fassaden der Häuser, in denen heute Smartphone und Digitalkamera zu den Alltagsutensilien ihrer Bewohner gehören. Wo früher Pferdekutschen über Kopfsteinpflaster rollten, beherrschen jetzt moderne Automobile dicht an dicht das Straßenbild. Das „Damals“ im heutigen Umfeld zeigen Aufnahmen aus dem Östlichen Ringgebiet von Braunschweig im Jahr 2014.

Geht es um Braunschweig, so zeigen Reiseführer, Postkarten, Kalender und Plakate vorwiegend als geschichtsträchtige Orte den Altstadtmarkt, den Kohlmarkt, den Burgplatz oder das Magniviertel. Das Östliche Ringgebiet zwischen Oker (östlicher Umflutgraben) und Prinzenpark bzw. zwischen Gliesmaroder Straße und Stadthalle rückt dagegen in den Hintergrund und ist, außer vielen Braunschweigern und den Stadt- und Architekturexperten, vergleichsweise weniger bekannt. Doch hier leben heute Menschen, zu deren Alltagsutensilien Smartphones, Flachbildschirm und Digitalkamera gehören, in zahlreichen Häusern, die noch aus der Kaiserzeit stammen und über 100 Jahre alt sind. So wie das Großbürgertum seinerzeit, lebt man hier auch heute noch in komfortablen Wohnungen mit großen Räumen und hohen Decken, zum Teil mit Stuck verziert. Prachtvolle Fassaden mit reicher Ornamentik, häufig im Jugendstil, vermitteln ein Gründerzeitambiente. In einigen Bereichen wie etwa in der Adolfstraße oder in der Jasperallee ist der repräsentative Charakter eines noblen Wohnquartiers bestens erhalten. Diese gepflegten und ehrwürdigen alten Gebäude sind nunmehr umgeben von den Attributen des 21. Jahrhunderts: moderne Geschäfte, Aluminiumfenster, hier und da moderne Haustüren, Antennen auf dem Dach, grüne, schwarze und gelbe Mülltonnen aus Kunststoff im Hinterhof und davor moderne Straßenlaternen, in denen nun kein Gasflämmchen mehr brennt.

Ganz besonders hat sich das unmittelbare Straßenbild geändert. Dort, wo früher Pferdekutschen über Kopfsteinpflaster rollten, fahren und stehen heute dicht an dicht moderne Automobile in allen Farben und Formen. Stellplätze und Garagen sind knapp und ob man sich zu Fuß oder mit dem Wagen durch dieses Gebiet bewegt, das Auto befindet sich immer beherrschend im Blickfeld als besonderer Kontrast zu den Fassaden aus der Kaiserzeit. So spiegelt sich die alte Zeit in Fenstern und in den Karosserien der Fahrzeuge… Trotz allem hat sich dieser Stadtteil seine Attraktivität und seinen besonderen Charme bewahrt und gilt auch heute als eine sehr begehrte Wohngegend.

Biografie

Axel Grüner, Jahrgang 1946, geboren in Berlin, aufgewachsen in Luxemburg; dort Abitur an der Europaschule; Dipl.Ing. für Maschinenbau, TU Braunschweig.
Berufstätigkeit bei Rollei, Olympia, Management der VW AG.
Autodidakt und überzeugter Amateur aus Leidenschaft.

Aktuelle Tätigkeiten
Vorstandsmitglied im Museum für Photographie, Braunschweig.
Co-Leitung der Arbeitsgemeinschaft für Fotografie der VHS-BS
Gasthörer an der HBK Braunschweig, Bereich Fotografie

Ausstellungen
Fünf Einzelausstellungen in Braunschweig und Wolfsburg (1978 – 2015)
Fünf Gruppenausstellungen in Braunschweig (2014 – 2015)

Veröffentlichungen
Buch „Wahrzeichen“, Kirchen der Propstei Braunschweig
„Bilder aus dem Krankenbett“, Zeitschrift Fotomagazin
„Vier aus den 50ern – ein Vergleich“, Zeitschrift Photodeal

Auszeichnungen
Erster Preis, regional, Fotowettbewerb „Blende 2008“
Erster Preis, Fotowettbewerb Woche der Kunst in Braunschweig, 1977

Gefahrengebiet – ABC der Protestzeichen
Thomas Blume

Statement: Gefahrengebiet – ABC der Protestzeichen

Niedersachsen belegt in Sachen Atommülllagerung in Deutschland unbestreitbar einen Spitzenrang: Im Dreieck zwischen den Landkreisen Braunschweig-Wolfenbüttel, Salzgitter und Grohnde bei Hameln sowie dem Landkreis Lüchow-Dannenberg lagern Müllfässer mit radioaktiven Abfällen. Im Landkreis Wolfenbüttel verrotten im ehemaligen Salzbergwerk Asse etwa 120.000 Fässer Atommüll, die in den 1960er- und 1970er-Jahren dort unsachgemäß eingelagert wurden. Der ehemalige Schacht Konrad in Salzgitter wird als Endlager für schwach bis mittelradioaktiven Abfall umgebaut. Das Kernkraftwerk Grohnde betreibt ein Zwischenlager für radioaktiven Abfall und auf dem Gebiet der ostniedersächsischen Gemeinde Gorleben stehen in oberirdischen Zwischenlagern gegenwärtig 113 Behälter mit abgebrannten Brennelementen, sogenannte Castoren mit hochradioaktiven Abfällen. In Salzgitter hat das Bundesamt für Strahlenschutz als oberste Bundesbehörde für Strahlenschutz seinen Sitz.

Wie sieht Protest gegen diese Gemengelage aus? Bürgerinitiativen verstehen sich heute als Aufklärer und Widersacher zu geplanten politischen Entscheidungen. Anders als zu früheren Zeiten wird gegenwärtig aber nicht mehr für eine Revolution demonstriert, sondern gegen konkrete Projekte des Systems und damit einhergehend für die Unversehrtheit oder Wiederherstellung einer Lebenswelt, die man in ihrer Existenz bedroht sieht. Um ihr Recht auf Meinungsäußerungen kundzugeben, gebrauchen Bürgerinitiativen neben schriftlich fixierten Einwendungen häufig Protestzeichen, um so mit friedlichen Mitteln Aufmerksamkeit für ihre Sache zu erzeugen. Diese Protestzeichen fungieren dabei als plakative Passepartouts, die auf die zu erwartende Bedrohung der Umwelt aufmerksam machen. Die Bedrohung wird durch das Zeichen erst konkret, da man sonst den Eindruck hat, schutzlos ausgeliefert zu sein gegen gewinnorientierte Konzerne.

Das gelbe X der Atomkraftgegner im Wendland gilt vielen Bürgerinitiativen als Vorbild. Daneben gibt es das gelbe A der Asse-Gegner, den gelben Pfeil für die Verlegung von Erdkabeln, Nein zu Ferkel- und Mastzuchtanlagen, Windkraftparks etc.

Meine Fotografien verstehe ich in der Tradition von Günter Zint, dessen Buch „Atomkraft“ (1979) zu den wichtigsten Zeugnissen der deutschen Anti-Atomkraftbewegung gehört.

Biografie

Thomas Blume, geboren 1967, Bibliothekar & Journalist. In der Fotografie Autodidakt, dabei dem Dokumentarischen verpflichtet.

Asse II
Timo Hoheisel

Statement: Asse II

In der Serie Asse II beschäftige ich mich mit der gleichnamigen Schachtanlage und der drohenden Umweltkatastrophe für die Region aufgrund menschlichen Versagens. Die Schachtanlage Asse II ist ein ehemaliges Salzbergwerk im Höhenzug Asse und liegt in Niedersachsen, nahe Wolfenbüttel. In den Medien ist sie als “marodes Atommülllager” bekannt und als das zurzeit größte deutsche Umweltproblem. Zahlreiche Informationen zum Endlager Asse II finden sich im Internet. Zum Beispiel in Reportagen von ARD, ZDF, WDR und NDR, auf YouTube und in diversen Onlineartikeln (FAZ, DIE WELT, DIE ZEIT etc.). Sollte ich dieses Desaster in einem Satz ausdrücken, würde ich folgenden wählen: „Die Geschichte der Asse ist eine Chronik des Versagens auf fast allen Ebenen.”

In der Schachtanlage Asse II sollte in den Jahren 1967 bis 1978 die Endlagerung radioaktiver Abfälle erforscht und erprobt werden. Zur Forschung kam während dieser Zeit die praktizierte Endlagerung hinzu. Rund ein Viertel aller Fässer wurden kurz vor Ende des genehmigten Einlagerungszeitraums 1978 angeliefert und eingelagert. Am Ende dieses Jahres war Deutschland nahezu frei von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen. Zahlreiche Missstände beim Betrieb des Versuchsendlagers führten dazu, dass 2008 dem damaligen Betreiber des Helmholz Zentrums München die Zuständigkeit entzogen wurde. Ab 2009 ist nun das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Ein Optionenvergleich ergab, dass zur sicheren Schließung der Asse die gesamten radioaktiven und chemischen Abfälle geborgen werden müssen. Dabei drängt die Zeit. Neben des Wasserzuflusses, der radioaktiv kontaminierten Salzlauge und der Gefahr durch Grubengase, ist das Hauptproblem die Instabilität des Bergwerks.

Die Visualisierung der Asse Problematik stellte für mich eine besondere Herausforderung dar. Es galt etwas zu zeigen, dass nicht zu sehen ist. Ich betrachtete das Umland rund um den Höhenzug Asse, näherte mich der Schachtanlage selbst und fuhr unter Tage. Mit den so entstandenen Aufnahmen erhoffe ich mir, das nicht direkt sichtbare Problem dennoch erfassbar machen zu können.

 

 

Biografie

Timo Hoheisel, 1980 geboren in Wolfenbüttel, seit 2011 hauptberufliche Arbeit als freischaffender Künstler mit fotografischen Schwerpunkt, seit 2012 Eröffnung Atelier Hoheisel, seit 2013 Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig; Studiengang Freie Kunst bei Asta Gröting und Dörte Eißfeldt.

OP Bunker
Andreas Gießelmann

Statement: OP Bunker

Der OP Bunker Celler Straße.

Im Jahr 2010 hatte ich im Rahmen einer Sonderführung mit Braunschweigs Bunkerexperten Wolfgang Ernst die Gelegenheit diesen Bunker zu dokumentieren.

Es ist ein Ort voller Tristesse und klinischer Kälte, historisch bedeutsam und architektonisch hoch interessant. Fünf Etagen, zwei Fahrstuhlschächte, 1.000 Plätze, zwei OP-Säle, Kreißsaal, Küche, 1,26 Mio. Reichsmark. Beispielhaft für seine Zeit.

Dies sind einige Fakten des Resultats einer politischen Extremsituation, aus der für die Insassen eines Bunkers eine menschliche Extremsituation resultiert.

Mein Ziel war es, auf minimalistische Weise die Tristesse und Dichte dieses Ortes zu vermitteln. Ich habe mich entschieden die ursprünglich in Farbe aufgenommenen Fotografien in schwarz-weiß zu wandeln, um den Fokus auf das Motiv zu lenken.

Auch dieser Beitrag ist Ergebnis meines fotografischen Schwerpunkts, der Dokumentation von Hinterlassenschaften unserer Zivilisation.

Biografie

Andreas Gießelmann, geboren 1972 in Bad Oeynhausen, lebt seit 2009 in Braunschweig, fotografiert seit seinem 12. Lebensjahr.
Seit 2008 ist der fotografische Schwerpunkt der urbane, speziell industrielle Verfall. Autodidakt.