Archiv der Kategorie: Landschaft / Umwelt

Flächendenkmal Harbke
Gert Schneider

Statement: Flächendenkmal Harbke

Das Flächendenkmal Harbke (Schloss, Wirtschaftsgebäude, Parkanlage) liegt nicht weit von der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze entfernt, am Rand des Naturparks Elm-Lappwald, und verweist auf 637 Jahre Geschichte.

Eine schwierige Geschichte zwischen adliger Grundherrschaft, Enteignung und Neubestimmung. Während der Schlosspark heute Teil des Projektes ‚Gartenträume Sachsen-Anhalt’ ist und die Orangerie ein Café beherbergt, verfiel das Schloss (seit 1955 unbewohnt) zu einer unzugänglichen Ruine.

Meine Fotosequenz „Flächendenkmal Harbke“ thematisiert den Zustand der Ruine im Jahr 2015.

Die Bemühungen der Gemeinde Harbke um die Erhaltung und Wiederbelebung des Schlosses und der Parkanlage waren für mich eine Anregung zu der fotografischen Arbeit in Harbke.

Für die freundliche Unterstützung und Fotografie-Erlaubnis bedanke ich mich bei dem Bürgermeister Herrn Werner Müller.

 

Biografie

Ausbildung
Grafik-Design an der Hochschule für Künste, Bremen
Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Berlin
Kunst- und Werkpädagogik an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig

Arbeit
Grafische, fotografische Gestaltung und technische Realisierung von Messeständen zum Thema Meerestechnologie für Fachmessen u.a. in Brighton, Bordeaux, Moskau und zur Hannover-Messe.
Lehrtätigkeiten an Gymnasien in Hannover und in Braunschweig. Neben der Arbeit als Lehrer Ausübung einer 3-jährigen Lehrtätigkeit zur Kunstvermittlung an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.

 

Historische Gärtnerhäuser in Wolfenbüttel
Henrike Junge-Gent

Statement: Historische Gärtnerhäuser in Wolfenbüttel

Noch um 1900 soll es mehr als hundert Gärtnerbetriebe in Wolfenbüttel gegeben haben, die bis in die 1950er-Jahre hinein zusammen das größte Gemüseanbau-gebiet Niedersachsens bildeten. Davon sind heute nur noch einige wenige aktiv. Doch lassen sich die typischen Gärtnerhäuser, wenn auch häufig verändert, leicht erkennen; sie stellen einen eindrucksvollen Rest der historischen Gärtnerkultur dieser Stadt dar. Die einfachen Fachwerkbauten sind überwiegend giebelständig, zuweilen modernisiert, häufig mit Holz oder Metallplatten verkleidet und durch Anbauten von Schuppen und Ställen ergänzt. Auf der Ostseite des Neuen Weges ist eine größere Anzahl dieser Bauten erhalten; sie wurden zum Teil im Zweiten Weltkrieg durch Bomben mehr oder weniger stark beschädigt. Auf der Westseite sind seit etwa 1900 zahlreiche Gärtnerhäuser durch Wohn- und andere Bauten ersetzt worden; die Ländereien als Bauland aufgeteilt. Hier ist die Bodenqualität weniger hoch als auf der Ostseite der Magistrale, weshalb die Betriebe vermutlich eher aufgegeben wurden.

Zur Dokumentation und Erhaltung der Relikte dieser fast 300-jährigen Gärtnerkultur wurde im Jahr 2001 von Personen aus den alten Gärtnerfamilien und interessierten Wolfenbütteler Bürgern der Verein Gärtnermuseum e.V. gegründet. Der Verein erwarb ein um 1800 am Neuen Weg errichtetes Gärtnerhaus und ließ es durch ein Wolfenbütteler Architekturbüro denkmalgerecht sanieren.

Ich habe meine Bildauswahl zunächst auf die Anwesen am Neuen Weg beschränkt und die Bauten gewissermaßen als Skizzen eines Flaneurs mit einer kleinen Taschenkamera an verschiedenen Tagen Ende Juli und Ende Oktober 2015 aufgenommen. Stürzende Linien sind bewusst nicht korrigiert worden.

Biografie

Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, erstes und zweites Staatsexamen, Promotion in Kunstwissenschaft. Veröffentlichungen zum Kunstsammeln, zur Rezeption der Klassischen Moderne, über Junge Kunst und zur Fotografie. 

 

Grenzland – Niemandsland
Joachim Giesel

Kommentar von Dr. Sabine Wilp

Und manchmal ist der Fotograf auch Chronist. Etwa bei der umfassenden visuellen Recherche, die Joachim Giesel von 1979 bis kurz vor der Wiedervereinigung 1989 zwischen Lübeck und Hof an der damaligen deutsch-deutschen Grenze durchführte. Eine eindrucksvolle fotografische Serie, auf sieben Doppelseiten im Stern veröffentlicht, die für großes Aufsehen sorgte und inzwischen historischen Wert besitzt. Denn: Die Grenze teilte nicht nur deutsches Land, sondern sie trennte Deutsche von Deutschen, sie war auch gleichzeitig die Schnittlinie zwischen den großen Machtblöcken der Welt. Ein perfektes System von Sicherungsanlagen hatte die Grenze von östlicher Seite aus undurchdringlich gemacht. Auf der westlichen Seite verödeten die früher stark befahrenen Straßen und Eisenbahnlinien, Häuser und Bauernhöfe verfielen, die Abwanderung der jungen Bürger, das sogenannte „Ausdünnen“, brachte schwerwiegende ökonomische und politische Probleme. Die Landschaft nahe dieser Grenze entwickelte sich wieder in einen „Urzustand“ zurück. Mit einer selbstgebauten Großbild-Kamera hat Joachim Giesel im Sinne einer „Spurensicherung“ diese Zustände fotografisch dokumentiert. Er hat dabei nicht nur den Grenzzaun, die verschiedenen Hinweis- und Warnschilder und die Wachtürme fotografiert, sondern auch die landschaftlichen und sozialen Veränderungen festgehalten, die das Erscheinungsbild der grenznahen Regionen prägten. Auf diese Weise sind Fotografien entstanden, die Geschichte und Geschichten erzählen.

Text von der Webseite http://www.gieselphoto.de/ (Stand 10.3.2015)

Biografie

Joachim Giesel ist 1940 in Breslau geboren und seit den 1960er Jahren in Hannover als Fotograf tätig. Er ging bei einem hannoverschen Fotografen drei Jahre lang in die Lehre, absolvierte 1961 seine Gesellenprüfung, war danach fünf Jahre lang als Bildjournalist bei der Hannoverschen Presse tätig und legte 1966 seine Meisterprüfung ab. Seit dieser Zeit ist er freiberuflich als Fotograf in Hannover tätig.
1985 wurde er mit dem Niedersächsischen Staatspreis für das gestaltende Handwerk ausgezeichnet. Weitere Preise folgten. Zahlreiche Ausstellungen zeigten seine umfangreichen freien Serien, wie „Der Mensch in der Gruppe“, „Grenzland-Niemandsland“, „Tänzerportraits“, „Photoportraits aus Hannover“, „Verrückt nach Ilten“, „100 Hannoversche Köpfe“. 2014 war Joachim Giesel bei der Ausstellung „Schöne Neue BRD? Autorenfotografie in den 1980er Jahren“ im Museum für Photographie e.V. beteiligt.

Spuren der Veränderung im begrenzten Raum I
Michael Ewen

Statement: Spuren der Veränderung im begrenzten Raum  I

Die Tatsache, dass heute die exotischsten Winkel der Welt dem Massentourismus mit dem damit verbundenen Abbildungswahn anheimfallen, hat bei mir eine Gegenreaktion erzeugt, die Dinge meiner unmittelbaren Umgebung fotografisch in den Fokus zu nehmen.

Dazu sind zwei Fotoserien entstanden mit den Titeln „Spuren der Veränderung im begrenzten Raum I“ und „Spuren der Veränderung im begrenzten Raum II“.

Bei der Serie „Spuren der Veränderung im begrenzten Raum II“ ist mein unmittelbares Lebensumfeld (Wohnung/Atelier) Ort meiner fotografischen Beobachtungen.

In der Fotoserie „Spuren der Veränderung im begrenzten Raum I“ ist der Fokus meiner fotografischen Auseinandersetzung eine ganz normale Sandgrube in der Nähe von Helmstedt.

Dort sind mehr als 1.000 analoge und ca. 500 digitale Aufnahmen entstanden. Neben der dokumentarischen Sicht, die dauernde Veränderung dieser vom Menschen geformten Landschaft zu beobachten, bietet dieser Ort die Möglichkeit, neben dem realen Ort eine andere Welt zu entdecken. Dieser Ort ist eine Art Fenster zu einer anderen, fernen Welt, zu einer Welt der Fantasie, Illusion und Imagination. Durch Lichtführung und Kontrastreichtum in den Abbildungen entsteht ein gewisser Abstraktionsgrad, der vom Dokumentarischen abweicht zu einer Verallgemeinerung, die dem Betrachter genügend Raum lässt, einen eigenen Ort der Fantasie zu imaginieren.

Der Feuilletonredakteur Martin Jasper charakterisierte diese Bildserie in der Buchpublikation „Camera Brunsviga“ sehr treffend:
„Eine ganz normale gelbweiße Fotopapier-Kiste. Darin eine fremde Welt. Schroffe Felsen, die gen Himmel ragen wie im Mittleren Atlas Marokkos. Schrundige Abbrüche, pittoresk verschattet wie der Grand Canyon im Abendsonnenschein. Vom Sand fast verwehte Reifenspuren wie Überbleibsel einer Wüsten-Expedition. Ausgetrocknete Pfützen, deren Böden von der siedenden Sonne der Sierra Madre zu einer Skulptur brechender Krusten aufgeworfen scheinen. Dürres Gras, das vom Wind gepeitscht Halbkreise in den Sand malt wie auf Nordsee-Dünen. Brackige Teiche wie auf einer Abraumhalde im Lande Surreal. Und in dieser bizarren Szenerie ein Motorradfahrer – wie ein Jedi-Ritter auf Abwegen…“

Biografie

Michael Ewen, geboren 1947 in Sülm / Eifel, 1969-1973 Studium Grafik-Design an der FHS Trier, 1972 Mitbegründer der Vereinigung junger Fotografen (VJF) in Trier, 1973-1977 Studium der Kunstpädagogik an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Seit 1980 Kunstpädagoge am Gymnasium am Fredenberg, Salzgitter. 1982-1983 Lehrauftrag zum Thema Portrait an der Hochschule Hildesheim, Abt. Kulturpädagogik. 1986 Gaußschule, Braunschweig. 1999 Mitbegründer der Fotogruppe punctum. 2011 Videoportrait des Fotografen Ivano Polastri für die Biennale Venedig.

Reste einer stolzen Vergangenheit
Jürgen Duske

Statement: Reste einer stolzen Vergangenheit

Veränderungen der regionalen Strukturen im Laufe der Zeit lassen sich an der Anbindung von Ortschaften durch öffentliche Verkehrsmittel festmachen. So wurden einstmals wirtschaftlich bedeutsame Orte mit dem Niedergang ihrer ökonomischen Bedeutung von der Infrastruktur (hier: der öffentliche schienengebundene Nahverkehr) abgekoppelt. Dies zeigt sich sehr deutlich am Beispiel der gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Braunschweig-Schöninger Eisenbahn AG, die 1901 den Betrieb aufnahm. Das Betriebsende der Strecke wurde in den Jahren zwischen 1964 (Ende des Salzbergbaus in der Asse) und 1971 (Einstellung des Solebetriebes in Schöningen) eingeleitet. Einige Teilabschnitte des Netzes wurden stattdessen mit Omnibuslinien bedient, das finale Aus für den Schöninger Bahnhof kam 2007. Die Bahnlinie endet heute in Schöppenstedt, von dort aus stellen Buslinien die Verbindung zu den Nachbarorten sowie Braunschweig / Wolfenbüttel sicher. Von dieser einstmals wirtschaftlich bedeutsamen Eisenbahnverbindung zeugen nur wenige Reste, ganz besonders traurig sieht es am Endpunkt der Strecke in Schöningen aus.

Biografie

Jürgen Duske, geboren 1951 in Schöningen, wohnhaft in Braunschweig. Nach langjähriger Tätigkeit in der Großindustrie ist er seit 2011 im Ruhestand und unter anderem als Hobbyfotograf unterwegs.

Gefahrengebiet – ABC der Protestzeichen
Thomas Blume

Statement: Gefahrengebiet – ABC der Protestzeichen

Niedersachsen belegt in Sachen Atommülllagerung in Deutschland unbestreitbar einen Spitzenrang: Im Dreieck zwischen den Landkreisen Braunschweig-Wolfenbüttel, Salzgitter und Grohnde bei Hameln sowie dem Landkreis Lüchow-Dannenberg lagern Müllfässer mit radioaktiven Abfällen. Im Landkreis Wolfenbüttel verrotten im ehemaligen Salzbergwerk Asse etwa 120.000 Fässer Atommüll, die in den 1960er- und 1970er-Jahren dort unsachgemäß eingelagert wurden. Der ehemalige Schacht Konrad in Salzgitter wird als Endlager für schwach bis mittelradioaktiven Abfall umgebaut. Das Kernkraftwerk Grohnde betreibt ein Zwischenlager für radioaktiven Abfall und auf dem Gebiet der ostniedersächsischen Gemeinde Gorleben stehen in oberirdischen Zwischenlagern gegenwärtig 113 Behälter mit abgebrannten Brennelementen, sogenannte Castoren mit hochradioaktiven Abfällen. In Salzgitter hat das Bundesamt für Strahlenschutz als oberste Bundesbehörde für Strahlenschutz seinen Sitz.

Wie sieht Protest gegen diese Gemengelage aus? Bürgerinitiativen verstehen sich heute als Aufklärer und Widersacher zu geplanten politischen Entscheidungen. Anders als zu früheren Zeiten wird gegenwärtig aber nicht mehr für eine Revolution demonstriert, sondern gegen konkrete Projekte des Systems und damit einhergehend für die Unversehrtheit oder Wiederherstellung einer Lebenswelt, die man in ihrer Existenz bedroht sieht. Um ihr Recht auf Meinungsäußerungen kundzugeben, gebrauchen Bürgerinitiativen neben schriftlich fixierten Einwendungen häufig Protestzeichen, um so mit friedlichen Mitteln Aufmerksamkeit für ihre Sache zu erzeugen. Diese Protestzeichen fungieren dabei als plakative Passepartouts, die auf die zu erwartende Bedrohung der Umwelt aufmerksam machen. Die Bedrohung wird durch das Zeichen erst konkret, da man sonst den Eindruck hat, schutzlos ausgeliefert zu sein gegen gewinnorientierte Konzerne.

Das gelbe X der Atomkraftgegner im Wendland gilt vielen Bürgerinitiativen als Vorbild. Daneben gibt es das gelbe A der Asse-Gegner, den gelben Pfeil für die Verlegung von Erdkabeln, Nein zu Ferkel- und Mastzuchtanlagen, Windkraftparks etc.

Meine Fotografien verstehe ich in der Tradition von Günter Zint, dessen Buch „Atomkraft“ (1979) zu den wichtigsten Zeugnissen der deutschen Anti-Atomkraftbewegung gehört.

Biografie

Thomas Blume, geboren 1967, Bibliothekar & Journalist. In der Fotografie Autodidakt, dabei dem Dokumentarischen verpflichtet.

Asse II
Timo Hoheisel

Statement: Asse II

In der Serie Asse II beschäftige ich mich mit der gleichnamigen Schachtanlage und der drohenden Umweltkatastrophe für die Region aufgrund menschlichen Versagens. Die Schachtanlage Asse II ist ein ehemaliges Salzbergwerk im Höhenzug Asse und liegt in Niedersachsen, nahe Wolfenbüttel. In den Medien ist sie als “marodes Atommülllager” bekannt und als das zurzeit größte deutsche Umweltproblem. Zahlreiche Informationen zum Endlager Asse II finden sich im Internet. Zum Beispiel in Reportagen von ARD, ZDF, WDR und NDR, auf YouTube und in diversen Onlineartikeln (FAZ, DIE WELT, DIE ZEIT etc.). Sollte ich dieses Desaster in einem Satz ausdrücken, würde ich folgenden wählen: „Die Geschichte der Asse ist eine Chronik des Versagens auf fast allen Ebenen.”

In der Schachtanlage Asse II sollte in den Jahren 1967 bis 1978 die Endlagerung radioaktiver Abfälle erforscht und erprobt werden. Zur Forschung kam während dieser Zeit die praktizierte Endlagerung hinzu. Rund ein Viertel aller Fässer wurden kurz vor Ende des genehmigten Einlagerungszeitraums 1978 angeliefert und eingelagert. Am Ende dieses Jahres war Deutschland nahezu frei von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen. Zahlreiche Missstände beim Betrieb des Versuchsendlagers führten dazu, dass 2008 dem damaligen Betreiber des Helmholz Zentrums München die Zuständigkeit entzogen wurde. Ab 2009 ist nun das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Ein Optionenvergleich ergab, dass zur sicheren Schließung der Asse die gesamten radioaktiven und chemischen Abfälle geborgen werden müssen. Dabei drängt die Zeit. Neben des Wasserzuflusses, der radioaktiv kontaminierten Salzlauge und der Gefahr durch Grubengase, ist das Hauptproblem die Instabilität des Bergwerks.

Die Visualisierung der Asse Problematik stellte für mich eine besondere Herausforderung dar. Es galt etwas zu zeigen, dass nicht zu sehen ist. Ich betrachtete das Umland rund um den Höhenzug Asse, näherte mich der Schachtanlage selbst und fuhr unter Tage. Mit den so entstandenen Aufnahmen erhoffe ich mir, das nicht direkt sichtbare Problem dennoch erfassbar machen zu können.

 

 

Biografie

Timo Hoheisel, 1980 geboren in Wolfenbüttel, seit 2011 hauptberufliche Arbeit als freischaffender Künstler mit fotografischen Schwerpunkt, seit 2012 Eröffnung Atelier Hoheisel, seit 2013 Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig; Studiengang Freie Kunst bei Asta Gröting und Dörte Eißfeldt.