Die Proteste gegen den Wiederaufbau des Residenzschlosses
Karl-Christian Amme

Statement: Die Proteste gegen den Wiederaufbau des Residenzschlosses

Am Kriegsende 1945 war ich knapp neun Jahre alt. Wir wohnten in der Fasanenstraße. Unser Spielplatz waren die ringsherum ausgebombten Ruinen, der Museumspark sowie der Theaterpark und in der Hauptsache die Schlossruine. Der erste Raum, den wir entdeckten, war der Spiegelsaal. Viele Spiegel waren unbeschädigt. Doch als wir den Raum verließen, war kein Spiegel mehr ganz. Die Treppe zur Quadriga war abgebrannt, das Geländer stand aber noch. Am Geländer sind wir nach oben geklettert. Die Quadriga war eine Etage tiefer gesackt, war aber noch komplett in Ordnung. Wir ritten auf den Pferden, was nicht ganz einfach war, da diese doch riesig groß waren. Eines Tages war von der Quadriga nur noch das Rundstahlgerüst übrig. Hiervon hat Hans Steffens eine Fotografie gemacht. Wie er da hoch gekommen ist, weiß ich nicht.

1955 übereignete das Land Niedersachsen die Schlossruine der Stadt Braunschweig mit der Auflage, es innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen oder abzureißen. 1960 wurde im Rat der Stadt Braunschweig mit zwei Stimmen Mehrheit beschlossen, die Schlossruine abzureißen. Unter starken Protesten der Braunschweiger Bevölkerung wurde damit am 18. März 1960 begonnen. 1963 wurde der nun neu gestaltete Schlosspark eröffnet. In den Jahren 1973 – 74 wurde der Park umgestaltet und mit einem Wasserbecken versehen, in dem original korinthische Kapitelle der Schlossportikus-Säulen platziert wurden. Eine gläserne Pyramide wurde errichtet, welche als Lesestube der öffentlichen Bücherei Benutzung fand. Später war dort ein gern besuchtes Café (Cristallo).

Am 20. April 2005 wurde das gesamte Areal des Schlossparks mit einem ca. 3 m hohen Bauzaun abgesperrt und das gesamte Inventar (wie Spielgeräte, Skulpturen, Lampen und andere Dekorationsgegenstände) fiel dem ECE¹ zu. Am 18. Mai (in der Brutzeit) wurden vom Bauherrn 255 Bäume gefällt, darin eingeschlossen, einige über hundertjährige Bäume, die noch aus der Zeit des ursprünglichen Schlossgartens stammten.

Am 29. März 2007 wurden die „Schloss-Arkaden“ eröffnet.

Ab 1855 wurde nach einem Entwurf von Ernst Rietschel eine von dem Erzgießer und Kupfertreiber Georg Howaldt gefertigte erste Quadriga mit der Brunonia auf dem Mittelteil des Schlosses montiert. In den Jahren 2006/2008 wurde eine dritte Version der Quadriga auf Grundlage eines Originalmodells Rietschels, das im Maßstab 1:3 in Dresden erhalten geblieben war, gefertigt. Diese wurde am 23. Oktober 2008 auf dem Mittelteil des Gebäudes aufgestellt.

Wenn ich heute den Bohlweg entlangkomme oder über den Schlossplatz gehe, habe ich Erinnerungen an meine frühe Jugend. Das Schloss gehört dorthin, aber nicht was dahinter ist.

 


¹ Die ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG ist ein deutsches Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg, das gewerbliche Großimmobilien entwickelt, umsetzt, vermietet und betreibt.

 

Biografie

Karl-Christian Amme, geboren 1936 in Braunschweig
Erlernter Beruf: Karosserie-+ Fahrzeugbauer
Studium an der Fachhochschule für Karosserie- + Fahrzeugbau in Hamburg
Abschluss: Ing. (grad.) für Fahrzeugtechnik
Nach Eintritt in die Rente Praktikum als Fotograf
Kleinere Ausstellungen, in der Hauptsache Fotografie im Bereich Jazz