Grenzland – Niemandsland
Joachim Giesel

Kommentar von Dr. Sabine Wilp

Und manchmal ist der Fotograf auch Chronist. Etwa bei der umfassenden visuellen Recherche, die Joachim Giesel von 1979 bis kurz vor der Wiedervereinigung 1989 zwischen Lübeck und Hof an der damaligen deutsch-deutschen Grenze durchführte. Eine eindrucksvolle fotografische Serie, auf sieben Doppelseiten im Stern veröffentlicht, die für großes Aufsehen sorgte und inzwischen historischen Wert besitzt. Denn: Die Grenze teilte nicht nur deutsches Land, sondern sie trennte Deutsche von Deutschen, sie war auch gleichzeitig die Schnittlinie zwischen den großen Machtblöcken der Welt. Ein perfektes System von Sicherungsanlagen hatte die Grenze von östlicher Seite aus undurchdringlich gemacht. Auf der westlichen Seite verödeten die früher stark befahrenen Straßen und Eisenbahnlinien, Häuser und Bauernhöfe verfielen, die Abwanderung der jungen Bürger, das sogenannte „Ausdünnen“, brachte schwerwiegende ökonomische und politische Probleme. Die Landschaft nahe dieser Grenze entwickelte sich wieder in einen „Urzustand“ zurück. Mit einer selbstgebauten Großbild-Kamera hat Joachim Giesel im Sinne einer „Spurensicherung“ diese Zustände fotografisch dokumentiert. Er hat dabei nicht nur den Grenzzaun, die verschiedenen Hinweis- und Warnschilder und die Wachtürme fotografiert, sondern auch die landschaftlichen und sozialen Veränderungen festgehalten, die das Erscheinungsbild der grenznahen Regionen prägten. Auf diese Weise sind Fotografien entstanden, die Geschichte und Geschichten erzählen.

Text von der Webseite http://www.gieselphoto.de/ (Stand 10.3.2015)

Biografie

Joachim Giesel ist 1940 in Breslau geboren und seit den 1960er Jahren in Hannover als Fotograf tätig. Er ging bei einem hannoverschen Fotografen drei Jahre lang in die Lehre, absolvierte 1961 seine Gesellenprüfung, war danach fünf Jahre lang als Bildjournalist bei der Hannoverschen Presse tätig und legte 1966 seine Meisterprüfung ab. Seit dieser Zeit ist er freiberuflich als Fotograf in Hannover tätig.
1985 wurde er mit dem Niedersächsischen Staatspreis für das gestaltende Handwerk ausgezeichnet. Weitere Preise folgten. Zahlreiche Ausstellungen zeigten seine umfangreichen freien Serien, wie „Der Mensch in der Gruppe“, „Grenzland-Niemandsland“, „Tänzerportraits“, „Photoportraits aus Hannover“, „Verrückt nach Ilten“, „100 Hannoversche Köpfe“. 2014 war Joachim Giesel bei der Ausstellung „Schöne Neue BRD? Autorenfotografie in den 1980er Jahren“ im Museum für Photographie e.V. beteiligt.