Archiv der Kategorie: Architektur / Stadt

Türen
Henrike Junge-Gent

Statement: Türen

Insbesondere gegen Ende der 1970er Jahre interessierte mich – damals, wie ich dann feststellte, auch andere Leute – das Thema Türen. Es gibt davon in meinem Archiv verschiedene Werkgruppen. Die hier ausgewählten Beispiele stammen wie viele weitere aus dem ehemaligen Land Braunschweig und aus der Gruppe der Beispiele aus dem 19. Jahrhundert. Zur Aufnahmezeit war das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz entweder noch gar nicht oder erst seit kurzer Zeit in Kraft.

Das Historische Museum Schloss Gifhorn hat seinerzeit alle Beispiele aus dem Landkreis Gifhorn angekauft.

Alle Aufnahmen bis auf eine zeigen das Motiv bildparallel.

Biografie

Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, erstes und zweites Staatsexamen, Promotion in Kunstwissenschaft. Veröffentlichungen zum Kunstsammeln, zur Rezeption der Klassischen Moderne, über Junge Kunst und zur Fotografie. Ausstellungsbeteiligungen Fotografie, Einzelausstellungen der Serie „Türen“, Ankauf durch das Museum im Schloss, Gifhorn.

No means no
Helge H. Paulsen

Statement: No means no

„no means no“ ist ein konsequentes Statement! Dieser Schriftzug prangt an der Fassade eines Gebäudes, das am 4./5. August 1995 eine gewisse Berühmtheit erlangte. An diesen Tagen berichteten die Medien über die Chaos-Tage in Hannover, dessen Mittelpunkt das ehemals besetzte Sprengelgelände ist – dieses zeigt die Fotografie. Punks und andere revoltierende junge Menschen kämpfen in Straßenschlachten gegen die Machthoheit der Polizei an diesem Ort. Mit der Plünderung eines dem Sprengelgelände fast gegenüberliegenden Penny-Marktes findet die Revolte ihren Höhepunkt. Diese Bilder aus Hannovers Nordstadt werden medial verbreitet. Das Sprengelgelände und die Chaos-Tage werden zum Stigma für Niedersachsens Landeshauptstadt. Dies ist nun 20 Jahre her. Punk sein hieß per se dagegen sein, gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem, gegen Konsum, gegen die gesellschaftliche Ordnung, gegen das System von Lohn und Arbeit (das Leistungsprinzip). Das „NEIN“ zu allen diesen gesellschaftlichen Verabredungen ist ein „NEIN“ als politische Haltung.

Ein NEIN fordert ein Suchen nach Kompromissen heraus und zwingt uns zu alternativen Ideen, somit löst ein NEIN auch immer als Folge einen kreativen Prozess aus. Wenn ich das eine nicht will, will ich dann etwas Anderes? Jede Revolution hat mit einem NEIN zu den bestehenden Herrschaftsverhältnissen begonnen. Unsere Zeit, zwanzig Jahre nach den Chaos-Tagen, ist wie kaum eine zuvor, von Revolutionen geprägt. Die Fotografie zeigt einen historischen Ort der Revolte, diese Revolte muss auf anderen Ebenen wieder stattfinden – ein aufrechtes NEIN ist immer noch besser als ein zweifelhaftes Ja. Die Fotografie handelt von Widerstand und dem Mut eines Neinsagers, der immer gefährlicher lebt als der Jasager. Es gibt auch bei uns genug gesellschaftliche, politische Entscheidungen, zu denen ein klares NEIN wichtig wäre. Darüber nachzudenken, wo dieses angebracht wäre, dazu soll die Fotografie anregen. Ein Beispiel: Ganz im Sinne Oscar Wildes, der sagte: „Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert.“ (aus: Das Bildnis des Dorian Gray). Könnte man heute nicht nur im Kulturbetrieb auch sagen: „Wir drücken alle im Preis, weil es uns nichts mehr wert ist.“ Hier sollte ein NEIN ein NEIN bleiben, damit die finanzielle Armut trotz Arbeit, der meisten KünstlerInnen und GeisteswissenschaftlerInnen ein Ende hat. Die Gesellschaft muss neu darüber verhandeln, was ihr wichtig, wertvoll und schützenswert erscheint. Ein NEIN zur Ausblutung des Kultursektors sollte ein NEIN bleiben, denn no means no!

Biografie

Helge H. Paulsen, Studium der Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Kunst & Kultursoziologie an der Universität Hannover, Abschluss Diplom Sozialwissenschaftler [Fachgebiet: Kunst /Kultursoziologie]
2013  Veröffentlichung der Dissertation: Die Position des David Wojnarowicz – Eine kunstsoziologische Verortung der US-Postmoderne
seit 2014 als selbständiger Fotograf, Publizist und Kunstsoziologe tätig
www.artpromotor.com

Steinabtritt
Ernst Wagner

Statement: Steinabtritt

Regionaler Sandstein aus Velpke war der Baustein des alten Braunschweiger Schlossgebäudes und diente zum Bau des Heinrichsbrunnens am Hagenmarkt. Als Pflastersteinplatten bedeckt er noch heute einige Plätze im historischen Zentrum Braunschweigs. Dank seiner besonderen Widerstandsfähigkeit gegen Druck und Witterungseinflüsse vermitteln ihm Einlagerungen und Abrieb im Verlauf von Jahrhunderten ein regionales Gedächtnis. Um die erinnerungsgetränkten Spuren zu lesen, zu interpretieren und zu bewahren, könnte uns die Fotografie behilflich sein.

Biografie

Ernst Wagner, geboren 1944 in Bad Wiessee, aufgewachsen in München, Beruf Chirug, wohnhaft Braunschweig.

Reste einer stolzen Vergangenheit
Jürgen Duske

Statement: Reste einer stolzen Vergangenheit

Veränderungen der regionalen Strukturen im Laufe der Zeit lassen sich an der Anbindung von Ortschaften durch öffentliche Verkehrsmittel festmachen. So wurden einstmals wirtschaftlich bedeutsame Orte mit dem Niedergang ihrer ökonomischen Bedeutung von der Infrastruktur (hier: der öffentliche schienengebundene Nahverkehr) abgekoppelt. Dies zeigt sich sehr deutlich am Beispiel der gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Braunschweig-Schöninger Eisenbahn AG, die 1901 den Betrieb aufnahm. Das Betriebsende der Strecke wurde in den Jahren zwischen 1964 (Ende des Salzbergbaus in der Asse) und 1971 (Einstellung des Solebetriebes in Schöningen) eingeleitet. Einige Teilabschnitte des Netzes wurden stattdessen mit Omnibuslinien bedient, das finale Aus für den Schöninger Bahnhof kam 2007. Die Bahnlinie endet heute in Schöppenstedt, von dort aus stellen Buslinien die Verbindung zu den Nachbarorten sowie Braunschweig / Wolfenbüttel sicher. Von dieser einstmals wirtschaftlich bedeutsamen Eisenbahnverbindung zeugen nur wenige Reste, ganz besonders traurig sieht es am Endpunkt der Strecke in Schöningen aus.

Biografie

Jürgen Duske, geboren 1951 in Schöningen, wohnhaft in Braunschweig. Nach langjähriger Tätigkeit in der Großindustrie ist er seit 2011 im Ruhestand und unter anderem als Hobbyfotograf unterwegs.

Alt-Neu-Architektur Braunschweig
Andreas Bormann

Statement: Alt-Neu-Architektur Braunschweig

Meine Fotoarbeiten zeigen das Thema „Alt-Neu“ in der Architektur in Braunschweig. In den ausgewählten Beispielen soll durch den stark begrenzenden Ausschnitt und den bewusst gewählten Standpunkt ein Dialog zwischen den architektonischen und den städtebaulichen Begegnungen herausgestellt werden. Die Gegensätze Alt und Neu erfahren so figurativ, strukturell, räumlich, konstruktiv und farbig ihre klare und sich gegenseitig erfrischend bestätigende Gegenüberstellung. Ich wünsche mir, dass hierdurch bekannte Braunschweiger Situationen überraschend neu erfahren werden können.

Die Fotografien gehören zum „Regionalen Gedächtnis“ von Braunschweig, weil die gezeigten Architekturbeispiele mit ihren Entwürfen auf das Bestehende reagieren und somit für einen gewissen Zeitraum versuchen, das Stadtbild zu vervollständigen. Darin zeigen sich auch die Haltung der jeweiligen Stadtpolitik und der Stand der Architekturentwicklung.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Braunschweig – im Vergleich zu anderen ebenso großen Städten in Deutschland (West) – weniger architektonische Alt-Neu-Begegnungen hat, was an der 40-jährigen deutsch-deutschen Grenzlage liegen könnte.

Biografie

Andreas Bormann, 1964 geboren in Hannover, 1990–2001 Architekturstudium, Fotoassistenz an der TU, Gasthörer an der HBK im Bereich Fotografie, 1994–2004 Dozent für Fotokurse an der VHS Braunschweig, seit 2002 Freie Fotografie (Architektur, Veranstaltungsdokumentation, Kunst)

Seit 1994 bis 2015 regelmäßige Beteiligung an den Mitgliederausstellungen im Museum für Photographie Braunschweig
1998 Fotoausstellung Braunschweiger Profile
2000 Jahreskalender der TU Braunschweig
2007 Fotoausstellung bei O.M. Architekten in Braunschweig
2008 Wanderausstellung „Low-Budget-Häuser“ der Architekturkammer Niedersachsen
2015 Fotoausstellung Braunschweig Alt-Neu-Architektur in der Graphischen Werkstatt Hinz & Kunst

 

Damals im Heute
Axel Grüner

Statement: Damals im Heute

Die Kaiserzeit um 1900 spiegelt sich in den reich verzierten Fassaden der Häuser, in denen heute Smartphone und Digitalkamera zu den Alltagsutensilien ihrer Bewohner gehören. Wo früher Pferdekutschen über Kopfsteinpflaster rollten, beherrschen jetzt moderne Automobile dicht an dicht das Straßenbild. Das „Damals“ im heutigen Umfeld zeigen Aufnahmen aus dem Östlichen Ringgebiet von Braunschweig im Jahr 2014.

Geht es um Braunschweig, so zeigen Reiseführer, Postkarten, Kalender und Plakate vorwiegend als geschichtsträchtige Orte den Altstadtmarkt, den Kohlmarkt, den Burgplatz oder das Magniviertel. Das Östliche Ringgebiet zwischen Oker (östlicher Umflutgraben) und Prinzenpark bzw. zwischen Gliesmaroder Straße und Stadthalle rückt dagegen in den Hintergrund und ist, außer vielen Braunschweigern und den Stadt- und Architekturexperten, vergleichsweise weniger bekannt. Doch hier leben heute Menschen, zu deren Alltagsutensilien Smartphones, Flachbildschirm und Digitalkamera gehören, in zahlreichen Häusern, die noch aus der Kaiserzeit stammen und über 100 Jahre alt sind. So wie das Großbürgertum seinerzeit, lebt man hier auch heute noch in komfortablen Wohnungen mit großen Räumen und hohen Decken, zum Teil mit Stuck verziert. Prachtvolle Fassaden mit reicher Ornamentik, häufig im Jugendstil, vermitteln ein Gründerzeitambiente. In einigen Bereichen wie etwa in der Adolfstraße oder in der Jasperallee ist der repräsentative Charakter eines noblen Wohnquartiers bestens erhalten. Diese gepflegten und ehrwürdigen alten Gebäude sind nunmehr umgeben von den Attributen des 21. Jahrhunderts: moderne Geschäfte, Aluminiumfenster, hier und da moderne Haustüren, Antennen auf dem Dach, grüne, schwarze und gelbe Mülltonnen aus Kunststoff im Hinterhof und davor moderne Straßenlaternen, in denen nun kein Gasflämmchen mehr brennt.

Ganz besonders hat sich das unmittelbare Straßenbild geändert. Dort, wo früher Pferdekutschen über Kopfsteinpflaster rollten, fahren und stehen heute dicht an dicht moderne Automobile in allen Farben und Formen. Stellplätze und Garagen sind knapp und ob man sich zu Fuß oder mit dem Wagen durch dieses Gebiet bewegt, das Auto befindet sich immer beherrschend im Blickfeld als besonderer Kontrast zu den Fassaden aus der Kaiserzeit. So spiegelt sich die alte Zeit in Fenstern und in den Karosserien der Fahrzeuge… Trotz allem hat sich dieser Stadtteil seine Attraktivität und seinen besonderen Charme bewahrt und gilt auch heute als eine sehr begehrte Wohngegend.

Biografie

Axel Grüner, Jahrgang 1946, geboren in Berlin, aufgewachsen in Luxemburg; dort Abitur an der Europaschule; Dipl.Ing. für Maschinenbau, TU Braunschweig.
Berufstätigkeit bei Rollei, Olympia, Management der VW AG.
Autodidakt und überzeugter Amateur aus Leidenschaft.

Aktuelle Tätigkeiten
Vorstandsmitglied im Museum für Photographie, Braunschweig.
Co-Leitung der Arbeitsgemeinschaft für Fotografie der VHS-BS
Gasthörer an der HBK Braunschweig, Bereich Fotografie

Ausstellungen
Fünf Einzelausstellungen in Braunschweig und Wolfsburg (1978 – 2015)
Fünf Gruppenausstellungen in Braunschweig (2014 – 2015)

Veröffentlichungen
Buch „Wahrzeichen“, Kirchen der Propstei Braunschweig
„Bilder aus dem Krankenbett“, Zeitschrift Fotomagazin
„Vier aus den 50ern – ein Vergleich“, Zeitschrift Photodeal

Auszeichnungen
Erster Preis, regional, Fotowettbewerb „Blende 2008“
Erster Preis, Fotowettbewerb Woche der Kunst in Braunschweig, 1977

OP Bunker
Andreas Gießelmann

Statement: OP Bunker

Der OP Bunker Celler Straße.

Im Jahr 2010 hatte ich im Rahmen einer Sonderführung mit Braunschweigs Bunkerexperten Wolfgang Ernst die Gelegenheit diesen Bunker zu dokumentieren.

Es ist ein Ort voller Tristesse und klinischer Kälte, historisch bedeutsam und architektonisch hoch interessant. Fünf Etagen, zwei Fahrstuhlschächte, 1.000 Plätze, zwei OP-Säle, Kreißsaal, Küche, 1,26 Mio. Reichsmark. Beispielhaft für seine Zeit.

Dies sind einige Fakten des Resultats einer politischen Extremsituation, aus der für die Insassen eines Bunkers eine menschliche Extremsituation resultiert.

Mein Ziel war es, auf minimalistische Weise die Tristesse und Dichte dieses Ortes zu vermitteln. Ich habe mich entschieden die ursprünglich in Farbe aufgenommenen Fotografien in schwarz-weiß zu wandeln, um den Fokus auf das Motiv zu lenken.

Auch dieser Beitrag ist Ergebnis meines fotografischen Schwerpunkts, der Dokumentation von Hinterlassenschaften unserer Zivilisation.

Biografie

Andreas Gießelmann, geboren 1972 in Bad Oeynhausen, lebt seit 2009 in Braunschweig, fotografiert seit seinem 12. Lebensjahr.
Seit 2008 ist der fotografische Schwerpunkt der urbane, speziell industrielle Verfall. Autodidakt.